Überwachung und Abschaffung in Jimins Musikvideo zu Set Me Free Pt. 2
Disclaimer: Dieser Blogpost enthält Hinweise auf Inhaftierung und Diskriminierung. Bitte gebt beim Lesen acht.
Als die größte Musikgruppe der Welt sind alle Augen ständig auf BTS gerichtet. Der Grad der Beobachtung, den die Gruppe zu spüren bekommt, ist durch die alltägliche digitale Überwachung und den Informationsaustausch in der heutigen Gesellschaft – von Paparazzi-Tweets bis hin zu Nachrichten – erheblich gestiegen. Darüber hinaus werden BTS im Westen oft „hypervisibel“ (dt. „besonders genau“) und überkritisch betrachtet, weil sie oft die einzigen ethnisch asiatischen und national nicht-amerikanischen Gesichter in den Charts sind. Die verstärkte Überwachung, insbesondere von nicht-weißen Menschen in den USA, hat eine lange Geschichte, die mit der zunehmenden Diskriminierung durch die Polizei und Inhaftierung verbunden ist. Das Musikvideo zu Jimins Solodebüt Set Me Free Pt. 2, das in einer minimalistischen Interpretation eines panoptischen Gefängnisses angesiedelt ist, untergräbt diese Formen der Bestrafung absichtlich mit einer klaren Forderung nach Abschaffung: „Set me free“ (dt. „Lasst mich frei“).
Polizeiarbeit, Gefängnisse und Rassendiskriminierung in den Vereinigten Staaten
Um den Hintergrund und die Auswirkungen von Jimins Musikvideo zu verstehen, muss man zunächst die Geschichte von Kriminalität, Bestrafung und Ungerechtigkeit in den Vereinigten Staaten verstehen. Die frühen Inhaftierungs- und Strafgesetze der USA dienten der Durchsetzung einer bestimmten menschlichen Ethik- und Moralvorstellung. Dieses System ist jedoch sofort ungerecht und diskriminierend, wenn Ethik und Moral so legalisiert sind, dass sie auf abwertende Überzeugungen gegenüber LGBTQ+, Schwarze und asiatische Gemeinschaften angewendet werden.
Infolgedessen haben Gefängnisse und die Polizeiarbeit in den Vereinigten Staaten tief verwurzelte rassistische Ursprünge, die sich in der Gegenwart viel zu oft manifestieren. Die ersten aufgezeichneten Gefängnisgesetze in den puritanischen Kolonien bestraften „homosexuelle Handlungen“ und die ersten modernen Polizeikräfte waren „Sklavenpatrouillen“, die Jagd auf Schwarze machten, die vor den unmenschlichen und brutalen Bedingungen der Versklavung flohen. Die Kriminalisierung und Inhaftierung schwarzer Amerikaner:innen wurde unter den „Jim Crow“-Segregationsgesetzen legal fortgesetzt. Heute sind unverhältnismäßig viele Schwarze, Pazifikinsulaner:innen, nicht-weiße Hispanoamerikaner:innen und darunter auch eine beachtliche Zahl an Asiat:innen inhaftiert. Darüber hinaus wenden Polizeibeamt:innen bei Ermittlungen oder Festnahmen schwarzer Verdächtiger häufiger ungerechtfertigte tödliche Gewalt an und werden selten für ihre kriminellen Handlungen zur Rechenschaft gezogen. BTS und ARMY haben beide öffentlich Black Lives Matter unterstützt, eine Bewegung, die versucht, die Rassendiskriminierung durch Polizeiarbeit und Inhaftierung zu beenden. Dies ist ein wichtiges und notwendiges Zeichen des Antirassismus, vor allem, wenn ein großer Teil der Kunst von BTS auf afroamerikanischer Musik basiert, die in ihren Ursprüngen gegen die Polizeiarbeit und Unterdrückung gerichtet ist.
Das Panoptikum und der Überwachungsstaat
ARMY hat polizeiliche Überwachung mehr als deutlich verurteilt und eine große Rolle dabei gespielt, die iWatch-App des Dallas Police Departments zu stoppen, mit der Black Lives Matter-Demonstrant:innen im Jahr 2020 kriminalisiert werden sollten. Masseninhaftierungen werden durch die verstärkte Überwachung angeheizt, von Überwachungstechnologien wie der iWatch-App bis hin zur eigentlichen Gestaltung der Gefängnisse. Eine solche Konstruktion ist das Panoptikum, bei dem die am Rande eines kreisförmigen Gebäudes angeordneten Gefängniszellen alle von einem Wachturm in der Mitte überwacht werden.
Dadurch können alle Gefangenen ohne ihr Wissen von einem Wachmann beobachtet werden. Schriftsteller wie Michael Foucault haben aufgezeigt, dass der „Panoptikum-Effekt“ nicht nur in der heutigen Masseninhaftierung, sondern auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft Anwendung findet. So wissen beispielsweise Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, möglicherweise nie, wann sie von Paparazzi beobachtet werden. Jeder Mensch wird ständig von Sicherheitskameras erfasst, ohne zu wissen, ob diese Kameras überwacht werden oder nicht. Wie Jimin selbst feststellt, können auch Depressionen und Angstzustände, bei denen das Gehirn selbstbestrafende Gedanken vergegenständlicht, Formen der Selbstüberwachung sein, ausgelöst durch die schädigenden Worte und Taten anderer.
Auftritt: Park Jimin
Nach der Premiere von Jimins Musikvideo zu Set Me Free Pt. 2 wiesen ARMYs wie Professorin Kate Ringland schnell darauf hin, dass das Set für das Musikvideo auch ein Panoptikum war (eine Theorie, die Jimin selbst in Aufnahmen von hinter den Kulissen bestätigte).
Das Vorhandensein dieser besonderen Struktur hat zu vielen wunderbaren abolitionistischen Interpretationen des Liedes geführt. Wie eine andere Person auf Twitter bemerkte: „Jimin steht im Mittelpunkt, was bedeutet, dass wir – wenn wir dies durch die Linse von Foucaults Panoptikum betrachten – argumentieren könnten, dass er die Bedrohung durch die Überwachung vollständig unterläuft und stattdessen die Kontrolle über die Erzählung übernimmt. Er ist niemandem ausgeliefert. Er ist frei.“ Wie er im Refrain des Liedes erklärt: „Selbst wenn sie mich verspotten, höre ich nicht auf.“ Jimin kann zwar dem Gefängnis der ständigen Überwachung nicht entkommen, aber er kann sein Narrativ wieder selbst bestimmen.
Geschichte wird in der Gegenwart geschrieben (wie Jimins Platz #1 in den Hot 100 Charts!)
Im Gegensatz zu Set Me Free wird die titelgebende Phrase in Set Me Free Pt. 2 nicht als Flehen oder sanfte Bitte verwendet. Jimins kraftvoller und ungeschminkter Song fordert Freiheit, und diese Forderung erhält eine wichtige und nuancierte Dimension, wenn man sich kritisch mit den Gefängnisstrukturen im Video auseinandersetzt. Es gibt so viele wunderbare Lösungen gegen Masseninhaftierung, die sichere, verantwortungsvolle Alternativen bieten, wenn Menschen sich gegenseitig schaden. Als ARMY stellen wir uns weiterhin vor, wie gerechte und sichere Gemeinschaften aussehen: ein Fandom, das alle sieben Mitglieder gleichberechtigt und nicht-toxisch feiert, ein Musikmarkt, der die Arbeit von BTS nicht wegen ihrer Herkunft oder aufgrund dessen diskriminiert, welche Sprache sie sprechen, und eine Welt, in der jeder Mensch ohne Angst leben kann und liebevoll für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen wird. Aufmerksame Diskussionen über die Systeme, die uns im Weg stehen, sind ein wichtiger Schritt, um diese Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen.
Verfasst von: Mariko
Editiert von: Lisa K
Gestaltet von: ThornToHisRose
Übersetzt von: Lenamania
Übersetzung editiert von: Cece & Piniie
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